Das Internationale Jahr 2012 – Nachhaltige Energie für alle Menschen
* Marcel Oberweis
Die rezenten Konferenzen von Busan und Durban haben der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, dass die Zeit der „leeren Gespräche“ endgültig vorbei ist und die Minimalkompromisse die anstehenden Probleme nicht lösen werden. Die internationale Gemeinschaft hat sich wohl für die beschleunigte Ausrottung der Armut ausgesprochen, angesichts der aktuellen trüben wirtschaftlichen Lage auf Weltebene fehlen jedoch die notwendigen Impulse für das benötigte Wachstum, um die Lebensbedingungen der notleidenden Menschen zu verbessern. Es darf des Weiteren nicht verkannt werden, dass derzeit 2,7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu den konventionellen Energien haben, über die die reichen Länder im Überfluss verfügen. Ist es ethisch zu verantworten, angesichts der hohen Energieverschwendung in den reichen Ländern, dass jeder fünfte Mensch keinen Zugang zu elektrischer Energie hat, derweil Hunderte Millionen Menschen keine Möglichkeit haben, eine warme Mahlzeit einzunehmen? Durch die Nutzung von Kochstellen, mit Dung oder Brennholz beheizt, sterben laut den Vereinten Nationen jährlich etwa 1,6 Millionen Menschen durch schädliche Rauchgase.
Die Losung kann deshalb nur lauten: „Die Entwicklung der Menschen muss in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten gestellt werden“. Dies gelingt jedoch nur, wenn allen Menschen die nötige Sicherheit, Ernährung, Ausbildung, Energie und Freiheit angeboten werden, um ihre produktiven und kreativen Fähigkeiten zur Verbesserung der individuellen Lebenschancen zu entfalten.
Die nachhaltige Energie für alle Menschen – Raus aus der Dunkelheit
Die Durban-Konferenz hat auch aufgezeigt, dass etwa 95 Prozent aller Menschen, die an signifikanter Energiearmut leiden, in Asien und vor allem in Afrika südlich der Sahara (von Senegal bis Eritrea) leben und diese keine Chance haben, ihren Lebensstandard in den kommenden Jahren bemerkenswert zu steigern. Der Klimawandel wird nicht von den Menschen in den Entwicklungsländern verursacht, sie erleiden jedoch die größten Auswirkungen. Innere Probleme und äußere Einflüsse, der Mangel an technischen und finanziellen Kapazitäten bedingen, dass sie sich dem Klimawandel nicht anpassen können. Ausgehend von den Erkenntnissen zum Klimawandel u.a. die Erhöhung des Meeresspiegels um etwa 3 mm pro Jahr durch den Schmelzprozess der Gletscher und Eiskappen sowie die erhöhte Erosion, wird sich auch die Konferenz über die nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, dem Rio+20-Gipfel in Rio de Janeiro im Juni 2012 ebenfalls mit dem brisanten Themenkomplex der Energieversorgung für alle Menschen des Planeten beschäftigen.
Die Aussage der Internationalen Energieagentur (IEA), dass der Zugang zu elektrischer Energie für diese „energiearmen“ Menschen lediglich drei Prozent der geplanten weltweiten jährlichen Investitionen in die zukunftsweisende Energie- und Mobilitätsmärkte in Höhe von 35 Milliarden Euro ausmachen, unterstreicht zur Genüge. Man möge sich vor Augen führen, dass derzeit ungefähr 320 Milliarden Euro pro Jahr in die Subventionierung der klassischen Energiequellen einfließen. Im Übrigen kann man die Aussage von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon loben, der nunmehr den Weg der „globalen grünen Revolution“ vorschlägt, um die Energieprobleme der Welt zu lösen. Die moderne Energieversorgung wird preiswerter, umweltfreundlicher und intelligenter, denn für den wachsenden Bedarf aller Menschen zu befriedigen, bedarf es der Nutzung der erneuerbaren Energiequellen. Die Sonne liefert etwa 15.000 mal mehr Energie auf die Erde als alle Menschen verbrauchen, für die Windenergie wird mit dem Faktor 320 und für die Wasserkraft mit dem Faktor 80 gerechnet. Allein die Tatsache, dass der Kontinent Afrika sein riesiges nachhaltiges Energieangebot zu weniger als 10 Prozent nutzt, zeigt die Chancen auf. Es wird gefordert, dass die erneuerbaren Energien in den Entwicklungsländern durch die Bereitstellung moderner Energietechnologien auf breiter Basis genutzt werden. In diesem Langfristprozess sind diese Energiequellen von entscheidender Bedeutung, mit ihnen wird der sichere, zuverlässige und nachhaltige Energiepfad beschritten.
Der IEA zufolge verdreifacht sich die Erzeugung der elektrischen Energie aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2035, eine Aufgabe von titanischen Dimensionen liegt vor uns. Parallel dazu werden die Industrie- und die aufstrebenden Schwellenländer aufgefordert, die Energieeffizienz massiv zu erhöhen, denn der Handlungsdruck, den Temperaturanstieg auf maximal 2 Grad Celsius zu beschränken, verlangt diese mutigen Schritte.
Das Zeitfenster unserer Möglichkeiten verringert sich permanent
Standen das Internationale Jahr 2010 für den Schutz der Biodiversität und das Internationale Jahr 2011 für den nachhaltigen Umgang mit den Wäldern im Mittelpunkt der Aktualität, wurde nunmehr das Jahr 2012 zum Internationalen Jahr nachhaltiger Energie für alle Menschen erklärt. Über ausreichend Energie verfügen, stellt die größte Herausforderung hinsichtlich der Erfüllung der Millenniums-Entwicklungsziele 2015 dar.
„Nur durch energisches Handeln“, so Ban Ki-moon, „werden die notleidenden Menschen ihren Energiebedarf für das Kochen, Heizen und Bildung nicht weiterhin durch die traditionellen Formen der Energieerzeugung, vielfach nur Biomasse, decken.“ Die beschwerliche Beschaffung von Trinkwasser und die Bereitstellung von warmen Mahlzeiten durch den Einsatz der elektrischen Energie bewirken „Wunder“, durch welche insbesondere die Lage der Frauen und Mädchen in den Entwicklungsländern erleichtert wird. Es zeigt sich in einem verstärkten Maß, dass der Zugang zu Energiedienstleistungen eine wichtige Voraussetzung für die Befriedigung der Grundbedürfnisse darstellt. Bedingt durch eine adäquate Entwicklungshilfe konnten bereits in vielen Ländern hervorragende Anwendungen durchgeführt werden. Die Energieversorgung, beruhend in einem wachsenden Maß auf den erneuerbaren Energiequellen, bewirkt hier den nötigen Schub, um den Kampf gegen die Armut zu gewinnen. Durch die Errichtung von dezentralen Wind- und Solarenergieanlagen sowie die Nutzung der Biomasse im ländlichen Raum werden vor allem die Menschen außerhalb der Städte mit elektrischer Energie versorgt.
Es muss uns bewusst werden, dass die Überwindung der Armut und der Kampf gegen den Klimawandel sehr eng miteinander zusammenhängen. Wenn wir das eine nicht schaffen, dann werden wir auch das andere nicht erreichen, es bedarf der Energiegerechtigkeit, der freie Zugang zu elektrischer Energie muss als ein Menschenrecht eingefordert werden. Die Verringerung der mit dem Klimawandel einhergehenden Probleme, die Verminderung der Armut und die Verbesserung der Gesundheit, die Stärkung der Rolle für Frauen und Mädchen sowie das Erreichen der acht Millenniumsentwicklungsziele 2015 spannen nunmehr den Rahmen für das gemeinsame Handeln in den kommenden Jahren auf.
Die Europäische Union muss sich zum Beschleuniger dieses Prozesses entwickeln. Der ökologische und soziale Umbau der Energieversorgung stellt eine faszinierende Herausforderung dar, welche allen Beteiligten eine nachhaltige „Rendite“ verspricht. In dieser Gerechtigkeitsdiskussion gehört die Zukunft den erneuerbaren Energiequellen und dies zum Wohl aller Menschen des Planeten. An uns allen, nunmehr das Leitbild für den sozialen Fortschritt zu gestalten, welcher weniger umweltbelastend ist. Johannes Wallacher, Professor für Sozialwissenschaften und Wirtschaftsethik hat diese Aufgabe mir folgendem Satz treffend beschrieben: „Vielleicht wächst momentan die Erkenntnis, dass wir auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind.“
Es muss allen Beteiligten im „Internationalen Jahr der nachhaltigen Energie für alle Menschen“ einleuchten, dass nur Frieden und Sicherheit die Voraussetzung für das einvernehmliche Miteinander auf dem Planeten sind.